Vortrag mit Publikum des KMB Bülachs

Rückblick: Vortragsnachmittag

Vortragsnachmittag und Podium vom 4. Februar 2023

Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche – ein Thema, das niemanden kalt lässt!

  • Referent: Stefan Loppacher, Präventionsbeauftragter des Bistums Chur
  • Podiumsgespräch: Stefan Loppacher, Pfarrer Otmar Bischof und Max Elmiger als Moderator

Sexuelle Missbräuche in der katholischen Kirche beschäftigen uns seit Jahren. Noch selten war die Glaubwürdigkeit der Kirche derart geschädigt – für manches Mitglied der entscheidende Grund für den Kirchenaustritt. Nicht verwunderlich, dass der Anlass im Pfarreizentrum sehr gut besucht war. Fast 50 Männer und Frauen liessen sich informieren von Stefan Loppacher, dem diözesanen Beauftragten für Prävention von spiritueller und sexueller Machtausübung und Missbrauch.

Gleich zu Beginn warnte er die Anwesenden, weil er schockierende Beispiele bringen würde, um die Tragweite der Tragödien darstellen zu können. Oft braucht es Jahrzehnte, bis ein Missbrauchsopfer reden kann, weil die Scham zu gross ist. Der Missbrauch an einem Kind kann ein Leben zerstören. Jahrelang war es gang und gäbe, dass die kirchlichen Vorgesetzte als «Strafe» einen Täter einfach in eine andere Gemeinde oder sogar ins Ausland versetzten, um ihn einem Strafverfahren zu entziehen.

Vor einigen Jahren, als der öffentliche Druck zu gross wurde, kam es zu einem Umdenken: Es gibt eine Null-Toleranz-Politik, klare Richtlinien und Prozesse, und das Bistum Chur hat einen Verhaltenskodex erarbeitet, der nun verankert wird. Jede Person im kirchlichen Dienst durchläuft eine Weiterbildung und geht eine Selbstverpflichtung ein. Kirche soll keine Parallelgesellschaft sein mit eigener Rechtsprechung durch die Bischöfe, das Strafgesetz gilt für alle gleich.

Allerdings musste auch Stefan Loppacher zugestehen, dass der grösste Knoten bei den so genannten systemischen oder strukturellen Ursachen liegt. Anliegen und Fragen der Teilnehmenden, die schriftlich nach der Pause vom Podium bearbeitet wurden, brachte es als Mehrheitsvotum auf den gleichen Punkt: Der Zwangszölibat muss weg, weil dieser von wenigen in Freiheit und wirklich «gesund» gelebt werden kann. Leider ist der Leidensdruck bei der Kirchenhierarchie noch zu klein, um hier eine Lockerung herbeizuführen. Es herrscht eine dogmatische Blockade.

Beide Referenten zeigten sich überzeugt, dass es sich lohnt, sich im überschaubaren Rahmen einer Pfarrei, aber auch in der Gesamtkirche einzusetzen. Anzufangen sei mit Ehrlichkeit, dass Priester sich nicht hinter einer scheinbar perfekt geführten Lebensform verstecken, sondern durchaus eingestehen dürfen, dass man an Grenzen stossen kann. Menschlichkeit und Transparenz sind die besten Rezepte für die Zukunft der Kirche. Die Zeit der unnahbaren Pfarrer auf dem Podest, die zusammen mit dem Lehrer und allenfalls dem Doktor die absoluten Dorfautoritäten waren, ist eigentlich schon längst vorbei. So endete der Nachmittag doch verhalten hoffnungsvoll. Die beiden Referenten zeigten sich nahbar, was sich auch bei den rege geführten Gesprächen beim Apero ausdrückte: Es gab kein Tabu für kritische Fragen. Ein sicheres Zeichen für Offenheit und Respekt.

Max Elmiger

Impressionen